Gastbeitrag von Marco
Die Verkehrswende ist von Anfang an ein zentrales Thema der FFF, und auch hier hat die Politik noch nicht reagiert.
Dieser Artikel soll Denkanstöße zu den verschiedenen Ebenen des Problems geben und ein paar Gedanken anreißen. Alles andere füllt bereits Bücher.
Hier findet ihr ein spannendes Fridays for Future-Webinar über Verkehrswende. Weitere Webinare findet ihr hier.
Die individuelle Ebene
Das sind die typischen “Verhalte dich gut!” Regeln. Tu dies, lass jenes. Nutze das Rad oder die Straßenbahn, fahre Zug, lass das Auto stehen, fliege weniger. Daran ist nichts falsch, aber die gesellschaftliche Wirksamkeit dieser Tipps ist sehr begrenzt.
Warum? Weil sie voraussetzen, dass sich sehr große Teile der Gesellschaft dauerhaft gegen alle äußeren Anreize verhalten, also aus moralischen Gründen das subjektiv unbequemere, weniger sichere, langsamere oder teurere Verkehrsmittel nutzen. Das wirkt in sehr frühen Phasen einer Transformation, also wenn Vorreiter beweisen, dass man auch ohne Auto gut leben kann, oder durch sehr groß angelegte, sehr gut vorbereitete Boykott- Aktionen (ein autofreier Monat).
Der Veganismus steht vor einem ähnlichen Problem – die erste Aufbauarbeit ist geleistet, jetzt fehlen die gesamtgesellschaftlichen Anreize, und selbst eine Verdoppelung aller 2 Jahre bräuchte zu lange für die heute drängenden Probleme.
Ziemlich lustig ist, dass immer wieder sogenannte “Liberale” auf diese Scheinlösung verweisen – die ist das Gegenteil dessen, worauf die Marktwirtschaft theoretisch und praktisch basiert. Wäre diese “jeder verhält sich aus Überzeugung ethisch, bis das Problem gelöst ist” Ansatz wirksam, könnte man ganz problemlos auf eine geldlose Anarchie wechseln, weil sich die meisten Menschen aus Überzeugung so verhalten würden, dass eine “gute” Gesellschaft herauskommt. Besonders deutlich wird das beim Transport: Wenn eine Firma langfristig gegen die ökonomischen Rahmenbedingungen arbeitet, zum Beispiel statt LKW auf heute langsamere, für die Firma teurere Güterzüge setzt, wird sie von der Konkurrenz überholt.
Trotzdem lohnt es sich natürlich, autofrei oder mit geringer Autonutzung zu leben und auf die Emissionen aufzupassen, einfach um wenig individuelle Mitschuld am kommenden Leid zu haben.
Die politische Ebene
Hier geht es beim Verkehr vor allem um die Verteilung von Ressourcen. Klingt abstrakt, ist aber sehr vielfältig. Wie wird die Straße in Städten für die verschiedenen Verkehrsarten aufgeteilt? Welche Verkehrsart bekommt wie viel Geld? Was zahlt man für knappe, wertvolle Flächen in der Stadt? Welche und wie viele Verkehrsplaner:innen stehen für welche Aufgaben zur Verfügung? Wofür gibt es Fördermittel, was wird wie stark besteuert (Kerosin ist steuerfrei)?
Da fließen immer noch die mit Abstand meisten Mittel in die Förderung des Kraftverkehrs (PKW, LKW). Die 350 Mio €, die für das Stück A 143 ausgegeben werden, würden für ein Netz aus Schnellradwegen von 350 km ausreichen – das sind sehr gut ausgebaute Radwege, die viel Radverkehr auch mit hohen Geschwindigkeiten über längere Strecken ohne Behinderungen und Gefährdungen abwickeln können.
Die Flächen in den Städten stehen in hohem Maß für stehenden und fließenden PKW- und Lastverkehr zur Verfügung, die Fußgänger:innen und Radfahrer:innen quetschen sich durch schmale Wege und gefährliche Kreuzungen. Die sogenannte Förderung der “Elektromobilität” beschränkt sich auf Autos, obwohl Pedelecs und E-Lastenräder der erfolgreichste Bereich der individuellen E-Mobilität sind. Während Autos mit Hybridantrieb, die zum großen Teil fossil betrieben fahren, massiv gefördert werden.
Ursachen des Politikversagens
Die Gründe für diese Schieflage in der Politik sind vielfältig. Gewohnheiten, Interessen, Ideologien und auch der Einfluss gut ausgestatteter Lobbyisten spielen gegen die notwendigen und sinnvollen Veränderungen.
Dazu kommt die Kompetenzfrage: jeder ist Verkehrsteilnehmer, jede sieht sich als Expertin an – immer auf Basis der aktuellen Zustände und der subjektiven Perspektive. Verkehr durchzieht zwar unser gesamtes Leben, aber immer als Hilfsmittel, nie als Zweck (Radfahren um der Freude willen zähle ich eher als Tourismus/Freizeit/Sport). Das macht es so schwer, politischen Druck für Veränderungen aufzubauen und viele Menschen fundiert zu informieren oder gar zur Aktivität zu bekommen.
Möglichkeiten und Ziele
Was hilft hier? Leider sind alle Varianten auf eine oder andere Art mit Arbeit verbunden. Aber es gibt eine so breite Palette an Möglichkeiten, dass für jede was dabei sein sollte.
- Politische Arbeit: Such dir eine Partei oder Jugendorganisation, deren Verkehrspolitik in die richtige Richtung geht, oder unterstütze eine vorhandene Partei
- Aktivismus: es gibt viele Arten. Critical Mass, ADFC, Fahrraddemos.
- Bildung und Information: Geht in die Tiefe, belest euch bei Knoflacher und Gehlen, beschafft euch fundierte Informationen über Energie und Fläche, über Effizienz und lebenswerte Städte, halbvolle Züge und fast leere Autos, Kreuzungsdesign und Carsharing… Es gibt tausende Themen, viele davon schon gut erklärt.
- Organisiert euch: baut eine breite Kampagne auf, in der einen Monat ganz viele Familien das Auto so weit wie möglich stehen lassen. Mit Hilfe untereinander, gegenseitigen Kursen im autofreien Einkaufen oder autofreien Wegfahren. Es gibt Menschen, für die ist der Kauf des geeigneten Zugtickets eine großes Hürde.
- Kunst und Kultur: Sucht euch einen Aspekt heraus und bastelt Bildchen, Texte, Videos. Witzig, lehrreich, eingänglich, wie ihr wollt.
- Sucht, was an diesem Text hier alles nicht gut ist und schreibt mindestens einen besseren. 😉
👍👌🚴